1945 Flucht aus dem brennenden Dresden

peterdas was ich bisher an hässlichen Erlebnissen hatte, wurde durch die Ereignisse des 13. Februar 1945 in den Schatten gestellt.

Meine  Erinnerungen habe ich aufgeschrieben,

weil ich nicht will , daß Beschreibungen unseriöser Historiker

die den Zeitraum meiner Lebenszeeit darstellen sollen,

unwidersprochen hingenommen werden

Wir lagen in den Betten, als, wie häufig in letzter Zeit, die Sirenen ertönten. Sofort danach vernahm man das Dröhnen hunderter Flugzeugmotoren. Auf dem Weg in den Keller sahen wir durch die Treppenfenster, dass die Stadt von oben hell erleuchtet war : „Christbäume“ Wir ahnten, was das zu bedeuten hatte, konnten uns jedoch nicht im entferntesten vorstellen, was nun auf uns zukommen sollte. Wir waren kaum im Keller angekommen, als die ersten Einschläge krachten. Das schauerliche Geheul der fallenden Bomben das Wummern der Explosionen, mal nah, mal weiter entfernt, das auf  und abschwellende Geräusch der über uns hinwegziehenden Bomber übertönte die Angstschreie der Kellerinsassen. Uns kam die Dauer dieses Angriffs endlos vor, tatsächlich waren es etwa 30-40 Minuten. Nachdem die Flugzeuge den Luftraum über Dresden verlassen hatten, was wir am Ausbleiben der Motorengeräusche feststellten, begaben wir uns in unsere Wohnung. Von dort aus sahen wir, dass die ganze Stadt von Bränden blutrot erleuchtet war. Die Wohnung war weitgehend verwüstet, aber noch begehbar. Die Straße entlang in Richtung Elbwiesen rannten Menschen, die bereits ihr Heim verloren hatten. Meine Mutter hieß uns angezogen in die Betten legen. 

Nach etwa zwei Stunden begann das Inferno erneut, dieses Mal ohne Sirenengeheul. Wir waren kaum im Keller angelangt, als unser Haus von einer Sprengbombe getroffen wurde. Deutlich spürten wir die Explosion unmittelbar über uns, gefolgt von dem Getöse und dem Druck des zusammenstürzenden Hauses mit immerhin fünf Stockwerken. Die Kellerdecke war einige Monate zuvor mit Balken und Stempeln so abgestützt worden, dass ein provisorischer Luftschutzkeller entstanden war. Das sollte uns das Leben retten. Außerhalb des Luftschutzraumes brach nach und nach der gesamte Keller zusammen, was eine Verschlechterung der Luftverhältnisse nach sich zog. Der Kalkstaub ätzte die Augen, das Atmen fiel schwer, das Bersten der umliegenden Keller und das Schreien einiger Hausbewohner nahm uns allen Überlebensmut. Unsere Mutter verhielt sich großartig. Sie hatte uns Drei so gut es ging unter sich gezogen und suchte uns mit dem Trost ruhig zu halten: "Nun sind wir bald beim Vati." Rings um uns begann das Sterben. Zuerst traf es diejenigen, die ihre Kraft bei lauten Gebeten, beim Versuch, dem Keller zu entrinnen, bei panischen Ausbruchsversuchen verbraucht hatten.

Am Ende wussten wir, dass acht Stunden vergangen waren  lebten von 38 Hausbewohnern nur noch die mit uns befreundete Familie Händel und wir sowie Frau Borsberg, die den Verstand verloren hatte. Vormittags wurden wir von einem Bergungstrupp der schräg gegenüber befindlichen damaligen Gläser Karosseriewerke befreit. Als wir über den Trümmerberg krochen, der einmal unser Haus gewesen war, sagte ich zu meinem Brüder Lutz: "Nun ist auch die Geige futsch." Meine Mutter nahm die taktlose Bemerkung trotz der vorangegangenen Erlebnisse zum Anlass, mir eine Ohrfeige zu geben. Uns empfing ein gewaltiger Feuersturm ausgelöst durch Luftsauerstoffmangel in der in Brand stehenden Stadt.


Von den Dächern der stehen gebliebenen Häuser tropfte eine brennende Flüssigkeit. Schreiende Menschen, die wie Fackeln brannten, überholten uns und brachen zusammen. Von den Dächern der stehen gebliebenen Häuser tropfte eine schwarze Flüssigkeit herab. Damals dachten wir, es handele sich um Teer. Noch heute streiten sich so genannte Historiker darüber, ob über Dresden Phosphor  als Zündmittel eingesetzt wurde. Wir konnten uns nicht auf den Füßen halten und krochen auf allen Vieren die Blumenstraße entlang bis zur Vogelwiese. Um uns war das totale Chaos.
	https://elschi.de/bilder/DD_Luftbild_Elbwiesen.jpgDie Menschen versuchten so schnell wie möglich, die Stadt zu verlassen, als hätten sie gewusst, dass der nächste Angriff unmittelbar bevorstand. Nachdem wir an der Elbe die 'Vogelwiese' erreicht hatten, wo vor dem Krieg mit einer Armbrust auf einen riesigen hölzernen Vogel geschossen wurde und Schausteller zur Kurzweil einluden, röhrten zwei Jagdflugzeuge tief über das Elbufer hinweg. Sie schossen mit ihren Bordwaffen auf uns. Auf Grund meiner im 'Flugzeugerkennungsdienst' beim 'Jungvolk' erworbenen Kenntnisse konnte ich die beiden Flugzeuge als Maschinen des Typs "North American P 51 D Mustang" identifizieren, die offenbar den Befehl erhalten hatten, den Luftraum über Dresden aufzuklären und erforderlichenfalls freizukämpfen, um den nachfolgenden US Bombern einen gefahrlosen Einsatz zu ermöglichen. Sie wendeten etwa über dem Stadtteil Tolkewitz und schossen erneut in die Menschenmenge, die auf viele hundert Kinder, Frauen und Männer angewachsen war. Darunter habe ich nicht einen Soldaten gesehen, der den Piloten einen Vorwand für ihre verbrecherische Handlung geboten hätte, von Fliegerabwehr ganz zu schweigen. Ich erhielt einen Streifschuss am linken Knie, unmittelbar vor mir ein Kinderwagen einen Volltreffer. Der grausige Anblick des toten Kindes und seiner Mutter rief bei mir keine Angst, sondern Wut, Hass und den Wunsch hervor, eine Waffe zu besitzen, um auf die Luftgangster schießen zu können. Diese griffen uns insgesamt dreimal an und hinterließen mehrere Dutzend Tote und Verwundete, die gewiss nicht zu den genannten 35 000 Luftkriegsopfern in Dresden hinzugezählt wurden..

Vor einer Villa auf dem damaligen 'Hindenburgufer' stand ein einarmiger Oberst der Wehrmacht. Er führte uns in sein Haus, verband mein Knie und ließ uns Wrstbrote samt Tee reichen. Meiner Mutter gab er den dringenden Rat, so schnell wie möglich aus der Stadt zu verschwinden. Am Körnerplatz trafen wir auf einen LKW der Wehrmacht. Angesichts seiner leeren Ladefläche eilte meine Mutter zu dem Fahrer. Der fragte, ob sie ihm den Weg nach Zeithain zeigen könne. Da wir uns inzwischen entschlossen hatten, nach Zerbst in Sachsen Anhalt zu Verwandten zu flüchten, stiegen wir und etwa 40 andere Menschen auf den LKW. Als wir am Bahnhof Riesa abstiegen, hörten und sahen wir Bomber in Richtung Osten ziehen   wir waren noch einmal davon gekommen  vorläufig

 Dresden Johannstadt vorn: Hindenburg-Ufer,  Hertelstraße Ausgebombte bergen ihren Hausrat, Quelle unbekannt hinten: Pfotenhauerstr., Trinitatis-Friedhof  https://elschi.de/bilder/Johannstadt.jpg

Erläuterungen zum Foto:mitte  Blumenstr.79 . Acht Stunden verschüttet, 8 Überlebende von 36 Personen , eine Überlebende mit totem Säugling im Schoß , geistesgestört. Retter waren Luftschutzangehörige des „Gläserkarosseriewerkes“, die hofften, lebende Verwandte zu bergen. Die Überlebenden hießen Hoffmann(4x), Händel(3x) und Borsberg (1x, total zusammengebrochen, Mann kurz zuvor gefallen, wollte mit ihrem toten Kind im Keller bleiben). Mutter des Verfassers zog ihre drei Kinder im Keller unter sich und sagte: „Nun sind wir bald beim Vati.“ (Vater am 3.9.42 in Stalingrad gefallen.Sie und Frau Renate Händel haben uns mit ihrer Beherrschtheit gerettet.

 

VorwortFamilie Jedermann, der einen Fernsehapparat besitzt oder gar selber Luftangriffe erlebt hat, weiß, was ein Tiefflieger ist und dass diese Bezeichnung heutzutage auf Menschen bezogen wird, die sich nicht der Achtung ihrer Gesellschaft erfreuen können. Darum geht es in diesem Buch. Ich habe beim Lesen historischer Literatur enttäuscht zur Kenntnis genommen, dass es selbst bekannte Literaten mit der Wahrheit nicht genau nehmen.  

Auf dem Schulkorridor fiel mir meine Mutter (auf dem Foto mit meinem Vater) weinend um den Hals und sagte: "Peter, unser Vati ist gefallen." Ich brauchte sehr lange, um diesen Schock zu überwinden. Es war meine erste direkte Konfrontation mit dem Krieg, der seit drei Jahren tobte.

 

Die Gründe dafür sind Faulheit, präzise Recherchen anzustellen, der Drang, mög­lichst rasch zu schreiben, das Bestreben, dem Leser die eigene ideologische Auffassung aufzudrängen, mangelnde Sachkenntnisse oder das Bemühen, den Verleger zu befriedigen. Auf diese Weise wird die Geschichte entstellt   zum Schaden nachfolgender Generationen Auffällig ist, dass möglichst jeder Bezug zur Gegenwart vermieden wird, er könnte dem Autor schaden, den Druck und die Veröffentlichung seines Werkes verhindern. Welcher Politiker würde gern ein Buch lesen, in welchem sein Tun in die Nähe von Missetaten, in Zusammenhang von Mord und Totschlag oder gar von Kriegsverbrechen gebracht wird ?

Wenn wir, meine Zeitgenossen und ich, gestorben sind, kann niemand mehr die Wahrheit über die von mir geschilderten Ereignisse und die Denkweise ihrer Akteure inhaltlich und historisch richtig wiedergeben. Da meine Lebensuhr bald abgelaufen ist, habe ich mich zum Aufschreiben meiner Erinnerungen und Gedanken entschlossen. Motiviert wurde ich von der anscheinend vorhandenen Fähigkeit, gesellschaftliche Prozesse auch vorausschauend   darzustellen, Lagen richtig zu beurteilen. Wenn man 74 Jahre gelebt hat, helfen einem dabei die Lebenserfahrungen, so dass kein Grund zur Überheblichkeit besteht oder gar der Anspruch, als Prophet bezeichnet zu werden. Der gilt so wie so im eigenen Land nichts. Im Vordergrund stand der Vorsatz, unbedingt bei der Wahrheit zu bleiben. Erwähnte Personen wurden von mir charakterisiert, unabhängig davon, ob sie nach meiner Meinung eine positive oder eine negative Rolle in dem von mir erfassbaren Umfeld gespielt haben. Wenn sie sich darüber freuen, soll es mir recht sein. Wenn nicht, ist mir das egal. In meinem Alter hat man vor negativen Reaktionen auf seine Handlungen keine Angst mehr. Viel wichtiger ist es, die Taten der gegenwärtig und künftig in verantwortlichen Positionen handelnden Menschen zu beurteilen, sie zu unterstützen oder abzulehnen, denn von Ihnen hängt das Schicksal unseres Vaterlandes ab. Dabei können ihnen Geschichtskenntnisse helfen. Deshalb habe ich es unterlassen, meine privaten Verhältnisse lang und breit zu beschreiben, so etwas überlasse ich der Boulevardpresse.

 

Dresden im Oktober 2006 Major a.D. Dipl.Ing.Peter Hoffmann